Ethik – Expertise. Zur Institutionalisierung normativen Urteilens in der Kommissionsarbeit am Beispiel der Tierversuchsproblematik
22. Januar 2015 | 18:00 Uhr s.t. | MKE | Raum M210
Obwohl die Debatten um den moralischen Status von Tieren zunehmend kontrovers geführt werden, macht das Grundgesetz der BRD unmissverständlich klar: Tierschutz ist seit 2002 in Deutschland Staatsziel. Ausgehend von Artikel 20a entfaltet sich in den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen eine enorme Regelungsdichte, die helfen soll, dieses normative Anliegen umzusetzen. Zugleich wurden der konkrete Inhalt und die Begründung des Tierschutzes aber offengelassen – bekanntlich ist nicht abschließend geklärt, was bspw. ein „vernünftiger Grund“ ist, um Tieren Schmerzen und Leiden zuzufügen, und es ist nicht abschließend geklärt, ob die Schutzwürdigkeit aus einem Wert des Tieres selbst (etwa aufgrund seiner individuellen Würde oder aufgrund seiner Leidensfähigkeit) oder sekundär über ein Interesse des Menschen (etwa daran, nicht zu verrohen, oder daran, gesunde Tiere besser nutzen zu können) abgeleitet wird.
In dieser normativ unterbestimmten Situation erscheint es zunächst einmal sinnvoll, für die Umsetzung des Tierschutzes in der Praxis Kommissionen einzurichten, bspw. vor dem Erlass weiterer Normen oder vor der Durchführung potentiell problematischer Praktiken. Ein Beispiel einer solchen, auch gesellschaftlich zum Teil extrem problematisch wahrgenommenen Praxis ist nun der Tierversuch. Wie auch in anderen Bereichen der Angewandten Ethik gilt es in den eigens eingerichteten Kommissionen –landläufig auch häufig „Ethikkommissionen“ genannt – darum, statt eines generellen Verbots oder einer generellen Erlaubnis der Praxis, Einzelfälle zu prüfen und zu einem ausgewogenen Urteil zu gelangen; im Falle des Tierversuchs mit Blick auf seine jeweilige wissenschaftliche Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit.
Für die philosophische Ethik stellt diese Entwicklung in vielerlei Hinsicht nun eine Herausforderung dar, die sich grob im Ausgang dreier Fragen genauer darstellen und diskutieren lässt: Was heißt es, kompetent zur Beurteilung von Tierschutzfragen zu sein? Wie sind der Status und die Rolle einer Kommission zu bewerten? Wie gelangt man in einer Kommission zu einer Einschätzung? Diese Fragen mit uns zu diskutieren sind eingeladen: für den Tierschutz Roman Kolar (langjähriges Kommissionsmitglied bspw. im Fall der Bremer Primatenversuche und in Tierversuchsfragen für die EU-Kommission beratend tätig), für die Philosophie Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin (ehemaliger Sachverständiger des Deutschen Bundestags zur Novelle des Tierschutzgesetzes 1993 und zur Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz) und für die Statistik Prof. Dr. Helmut Küchenhoff (langjähriges Kommissionsmitglied und Berater bei der statistischen Planung von Tierversuchen).
Um Anmeldung bis zum 20. Januar 2015 wird gebeten unter Mara-Daria.Cojocaru@lrz.uni-muenchen.de.